Jörg Hutter
Forschungen zur Homosexuellenverfolgung in der NS–Zeit: "Nur keinen Bezug zur Gegenwart herstellen!"

Ein Kommentar zu Alexander Zinns Ausführungen

Übersicht des Beitrags

Jörg Hutters Beitrag setzt sich mit Alexander Zinns Thesen auseinander, nach denen im Nationalsozialismus fast nur bestimmte Typen von homosexuellen Männern in Konzentrationslager deportiert worden seien. Dies sei dann der Fall gewesen, wenn homosexuelle Männer keine "einvernehmliche" Sexualität gelebt hätten. Lesbische Frauen seien gar nicht verfolgt worden. Daher müsse man sich bei den Schlussfolgerungen streng an die Aktenfunde halten und dürfe diese historischen Erkenntnisse nicht mit heutigen politischen Interessen vermischen.

Jörg Hutter weist hingegen darauf hin, dass sich die nationalsozialistischen Definitionen von Feindgruppen auf lange existente und diskreditierende Stereotype stützten. Der Wahrheitsgehalt dieser Zuschreibungen sei anzuzweifeln. Die offiziellen Haftgründe hätten vielmehr Aspekte von Homosexualität fokussiert, welche einerseits die Beschuldigten als verwerflich und gefährlich brandmarkten und andererseits viele wesentliche Charakteristika der intimen Begegnungen überhaupt nicht erfassten. Daher müsse genauer untersucht werden, warum die damaligen Verfolgungsinstanzen Personen bestimmten Feindgruppen zuordneten oder be¬wusst auf eine bestimmte Etikettierung verzichteten.

Der Beitrag thematisiert, dass das Schicksal der Internierten von der jeweiligen Feindgruppe abhängig war, die die Nationalsozialisten den Menschen zuordneten. Zu unterscheiden sei, so Hutter, zwischen der Verfolgung aufgrund einer Abweichung auf ethnischer Ebene und einer solchen auf soziostruktureller Ebene. Das gleiche Muster finde sich heute wieder bei rechter Gewalt und staatlicher Verfolgung von als "fremdartig" oder "anormal" wahrgenommenen Menschen. Daher müsse beim Gedenken an die Verbrechen von damals dieser Bezug zur Gegenwart hergestellt werden, wenn das Erinnern nicht erstarren und zu einem hohlen Ritual verkommen solle.




Zum Seitenanfang     Zur Übersicht von Invertito 23