Ines Rieder
Aktenlesen 1946–1959

Lesben in Wien im Visier der Justiz

Übersicht des Beitrags

Während lesbisches Begehren und die gesellschaftliche Situation von Lesben in Wien in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bereits untersucht worden sind, fehlt bislang der Zugang und das Sichtbarmachen in der Nachkriegszeit. Informationen von Zeitzeuginnen aus dieser und über diese Zeit sind dabei nur sehr schwer zu bekommen, nicht zuletzt weil in Österreich lesbischer Sex bis 1971 strafrechtlich verfolgt worden ist. Die Akten des Wiener Straf– und Landesgerichts sind daher – trotz der vorurteilsbelasteten Sprache der Justiz – eine der wenigen Möglichkeiten, einen Einblick in das lesbische Leben und den Umgang mit Lesben in den 1940er und 1950er Jahren zu erhalten. Die Auswertung der Quellen zeigt dabei, dass die wegen gleichgeschlechtlicher Sexualität angeklagten Frauen aus allen gesellschaftlichen Klassen und allen Altersgruppen kamen. Ob sie, ins Visier der Justiz geraten, ihre Liebe zu Frauen bestätigten oder verleugneten, hing dabei wesentlich von ihren Lebensumständen ab. Während es in den ersten Nachkriegsjahren innerhalb des Justizwesens keine Anzeichen für eine Hinterfragung der Kriminalisierung lesbischer Sexualität gab, gibt es gegen Ende der 1950er Jahre erste Hinweise auf einen zunehmenden medizinisch–psychologischen Diskurs und damit einhergehend den Versuch, lesbische Sexualität mittels einer Pathologisierung zu entkriminalisieren.




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