Kerstin Losert
Kleider machen Männer.
Mittelalterliche Geschlechterkonstruktion und die Legende der Hildegund von Schönau

Übersicht des Beitrags

Das hagiographische Motiv der Frau, die sich als Mann ausgibt, in ein Männerkloster eintritt und dafür schließlich als Heilige verehrt wird, lässt sich von der Spätantike bis ins Hoch- und Spätmittelalter verfolgen. Die Existenz dieses Motivs und die darin enthaltene positive Bewertung des Kleidertauschs überraschen umso mehr, als der Wechsel von Kleidung und Geschlechtsidentität in zahlreichen anderen Texten frühchristlicher und mittelalterlicher Autoren als Angriff auf die Geschlechterhierarchie und damit als eine Infragestellung der natürlichen Ordnung gewertet wird. Anhand der im Hochmittelalter entstandenen Vita der Hildegund von Schönau kann gezeigt werden, dass eine positive Schilderung von Frauen in Männerkleidung auch in der Legendenliteratur keine Selbstverständlichkeit darstellt, sondern durch bestimmte Erzählstrategien legitimiert werden muss. In seiner Version der Hildegundvita schildert der Zisterziensermönch Caesarius von Heisterbach beispielsweise typische "weibliche" Eigenschaften der Protagonistin in anekdotenhafter Weise, um die Unmöglichkeit der Überschreitung von Geschlechtergrenzen zu verdeutlichen. Dabei steht die Beteuerung des Verfassers, die Mönche hätten nichts von Hildegunds wahrer Geschlechtsidentität geahnt, in scharfem Kontrast zu dem mehr als auffällig geschilderten Verhalten des jungen Mädchens.




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