Albrecht Diem
Organisierte Keuschheit.
Sexualprävention im Mönchtum der Spätantike und des frühen Mittelalters

Übersicht des Beitrags

Den Ausgangspunkt dieses Artikels bildet die Erfindung des gemeinschaftlichen Schlafsaals im Klosterwesen des 6. Jahrhunderts. Diese Entwicklung markiert den Übergang von einem Klosterwesen, in dem der einzelne Mönch seinen individuellen Kampf gegen das sexuelle Begehren führt, hin zur klösterlichen Gemeinschaft, die sich der Außenwelt als Zone der garantiert abwesenden Sexualität präsentiert, in der stellvertretend für die Umwelt Mittlerschaft zu Gott ausgeübt werden konnte. Gleichgeschlechtliches Verhalten ist in den monastischen Texten der Spätantike auf der einen Seite nur eine Form unter anderen, in der sich sexuelles Begehren in Handeln umsetzen kann. Eine besondere Stellung erhält es vor allem deshalb, weil gebräuchliche Techniken der Sexualprävention (Geschlechtertrennung, Abgeschiedenheit) in diesem Fall nicht greifen. Deshalb entwickelte sich ein breites Repertoire präventiver Bestimmungen, das sich sowohl auf die Trennung der Körper als auch auf die Trennung der Seelen, also das Verbot von Freundschaften, richtete und eine konsequente gegenseitige Überwachung forderte. Der gemeinsame Schlafsaal perfektionierte den disziplinierenden Zugriff auf die Mönche. Auffällig ist, dass das in der Spätantike immer wieder betonte Verbot von emotionalen Bindungen zwischen Mönchen im Frühmittelalter nicht weitergeführt wurde. Eine mögliche Erklärung besteht darin, dass sich Klöster zu Institutionen entwickelten, in denen Mönche und Nonnen von früher Kindheit an ihr ganzes Leben verbrachten, Klöster deshalb die Familie ersetzende emotionale und soziale Bindungen anboten. Der Mitmönch wurde zum Bruder, den man wie einen Bruder lieben durfte.




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